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Monat: Januar 2020

Zur Vergütungshöhe bei nachträglichem Arbeitnehmerstatus (Scheinselbstständigkeit)

Es kommt nicht selten vor, dass freie Mitarbeiter oder die Rentenversicherung den arbeits- oder sozialgerichtlich den Status eines Arbeitnehmers bzw. eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten feststellen lassen. Für den Dienstherrn hat eine solche Feststellung empfindliche Folgen: In aller Regel hat der Dienstherr, der nun wider Willen Arbeitgeber ist, nachträglich Sozialabgaben und Lohnsteuern für den vermeintlich selbstständigen (also „scheinselbstständigen“) Mitarbeiter in beträchtlicher Höhe zu entrichten.

Die neue Entscheidung
Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun entschieden hat, gehen für den freien Mitarbeiter, dem eine Arbeitnehmereigenschaft zugesprochen wird, nicht nur positive Wirkungen einher (vgl. BAG Urteil vom 26.06.2019 – 5 AZR 178/18). Denn der übliche Lohn eines Arbeitnehmers wird in aller Regel deutlich unterhalb der Entlohnung eines freien Mitarbeiters liegen. In Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des BAG wurde nun klargestellt, dass die für das freie Dienstverhältnis individuell vereinbarte Vergütungshöhe nicht als maßgeblich für eine Beschäftigung im Arbeitsverhältnis angesehen werden kann, wenn keine von dem Arbeitnehmer darzulegenden Anhaltspunkte für eine Vergütung in gleicher Höhe sprechen.

Geklagt hatte die Arbeitgeberin eines IT-Mitarbeiters. Die Deutsche Rentenversicherung ließ auf Initiative des Mitarbeiters nach über acht Jahren „freier Mitarbeit“ nachträglich die Beschäftigteneigenschaft des Mitarbeiters feststellen. Anschließend verlangte die Arbeitgeberin teilweise Rückzahlung der geleisteten Vergütung. Im Ergebnis wurde ihr ein Rückzahlungsanspruch wegen zu viel entrichteten Entgelts in Höhe von über EUR 100.000 zugesprochen. Denn nach Dienstvertragsrecht wird eine „übliche Vergütung“ geschuldet, die bei Arbeitnehmern wegen der mit einem Arbeitsverhältnis einhergehenden Sicherheiten (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Anspruch auf Erholungsurlaub, Kranken- und Sozialversicherung) in aller Regel deutlich geringer ausfällt als bei freien (selbstständigen) Mitarbeitern.

Dass die auf Rückzahlung gerichtete Klage der Arbeitgeberin mehr als fünf Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhoben wurde, sollte dem Anspruch nicht entgegenstehen. Das BAG wies die Einrede der Verjährung mit der Begründung zurück, dass die Arbeitgeberin zunächst die sozialgerichtliche Feststellung des Beschäftigtenstatus, die sich über mehrere Instanzen erstreckte, abwarten konnte. Denn die Erhebung einer verjährungshemmenden Zahlungsklage vor dem Arbeitsgericht war der Arbeitgeberin vor rechtskräftiger (sozialgerichtlicher) Feststellung des Beschäftigtenstatus nicht zumutbar. Sie hätte ihrer eigenen Rechtsauffassung zuwider in einem Parallelverfahren argumentieren müssen.

Bedeutung für die Praxis
Insbesondere in der IT-Branche und bei Unternehmensgründern ist der Zugriff auf freie und selbstständige Mitarbeiter sehr beliebt. Freie Mitarbeiter können deutlich flexibler und projektbezogen eingesetzt werden. Zudem kommt ihnen kein Kündigungsschutz zu und sie können meistens fristlos jederzeit entlassen werden. Die Vergütung freier Mitarbeiter wird zwar häufig höher sein als bei Arbeitnehmern. Mangels Lohnnebenkosten ist der tatsächliche finanzielle Aufwand für den Dienstherrn aber meistens nicht höher als bei der abhängigen Beschäftigung von Arbeitnehmern.

Der Dienstleistende hat zwar keine sozialversicherungsrechtliche Absicherung, wird aber im Regelfall einen deutlich höheren Anteil seiner Vergütung auch tatsächlich zu seiner Verfügung haben.

Die Entscheidung des BAG zeigt einmal mehr, dass die nachträgliche Feststellung des Status eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gut überlegt sein sollte. Wer nachträglich den Schutz des Sozialversicherungssystems in Anspruch nehmen möchte, muss mit Lohnrückforderungen seines früheren Dienstherrn rechnen.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte beraten zu allen Fragen des Dienstvertrags- und Arbeitsrechts. Sprechen Sie uns bei Bedarf gern an.

Crowdinvesting – Ein Überblick

Was ist Crowdinvesting?

Crowdinvesting (Schwarmfinanzierung) oder Crowdfunding ist eine alternative Finanzierungsform, bei der von vielen Anlegern Gelder eingesammelt werden. Crowdinvesting kann zur Finanzierung verschiedenster Projekte genutzt werden – neben Finanzierung einer Unternehmensgründung können beispielsweise auch bestimmte Projekte im Bereich der Filmfinanzierung oder auch Immobilen durch Crowdfunding finanziert werden. Crowdinvesting wird häufig über Internetplattformen organisiert. Bekannte Crowdinvesting-Plattformen sind beispielsweise Seedmatch und Companisto.

Welcher rechtliche Rahmen gilt hier?

Aus rechtlicher Sicht sind beim Crowdinvesting verschiedene Aspekte interessant: Zum einen die zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den verschiedenen Beteiligten. Neben dem Unternehmer, der durch das Crowdinvesting Geld für ein Projekt einsammeln möchte, sind dies die Vielzahl von Anlegern sowie regelmäßig der Plattformbetreiber als weiterer Akteur. Zum anderen stellen sich regulatorische, also aufsichtsrechtliche Fragestellungen, d.h. insbesondere: Welcher besonderen Erlaubnisse bedarf es für den kapitalsuchenden Unternehmer und den Plattformbetreiber und welche Informationspflichten treffen den Unternehmer und den Plattformbetreiber einer Crowdfundingplattform gegenüber Anlageinteressenten?

Der Gesetzgeber hat bereits 2015 mit dem Kleinanlegerschutzgesetz auf das Phänomen des Crowdinvestings reagiert. Unter anderem wurde zum Schutz der Anleger eine Pflicht zur Erstellung eines Vermögensanlage-Informationsblattes nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) vom Gesetzgeber implementiert.

Benötigen die Anbieter eine Lizenz?

Die Lizenzpflichten des Plattformbetreibers hängen von der genauen Ausgestaltung des Geschäftsmodells ab. Denkbar ist beispielsweise, dass der Plattformbetreiber Finanzdienstleistungen oder Bankgeschäfte betreibt und einer entsprechenden Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz (KWG) bedarf. Erlaubnispflichten können sich auch aus dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) oder der Gewerbeordnung ergeben. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als zuständige Behörde prüft in jedem Einzelfall, welche Erlaubnistatbestände einschlägig sind. Für den kapitalsuchenden Unternehmer stellt sich u.a. die Frage, ob er ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft betreibt.

Wie ist der Vertrag zwischen Anbieter und Anlegern ausgestaltet?

Die Ausgestaltung der privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Anlegern und dem Unternehmen, das Kapital einsammelt, sowie zwischen dem Plattformbetreiber, den Anlegern sowie dem Unternehmen kann ebenfalls variieren. Es bedarf stets einer Einzelfallprüfung. Denkbar ist beispielsweise, dass zwischen den Anlegern und dem kapitalaufnehmenden Unternehmen sog. partiarische (Nachrang-)Darlehen bestehen. Hierbei handelt es sich im Grundsatz um einen Darlehensvertrag im Sinne des § 488 BGB mit der Besonderheit, dass dem Darlehensgeber – im Falle des Crowdinvestings der Anleger – neben einem Anspruch auf Kapitalrückzahlung (sowie ggf. einem Zinsanspruch) auch einen Anspruch auf prozentuale Beteilung am Unternehmenserfolg zusteht. Sofern das Darlehen als Nachrangdarlehen ausgestaltet ist, wird der Darlehensgeber in der Insolvenz oder bei Liquidation des Darlehensnehmers erst nachranging, d.h. nach den anderen Insolvenzgläubigern, befriedigt. Andere zivilrechtliche Gestaltungen – z.B. eine echte gesellschaftsrechtliche Beteiligung der Anleger am Unternehmen – sind möglich.

Durch das Kleinanlegerschutzgesetz hat der Gesetzgeber in § 2d VermAnlG zudem ein besonderes Widerrufsrecht für das Crowdinvesting normiert – vergleichbar den gesetzlichen Widerrufsrechten im Onlinehandel oder bei Verbraucherdarlehensverträgen. Dieses Widerrufsrecht kann auch nicht zulasten des Anlegers ausgeschlossen werden.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte bei rechtlichen Fragen zum Thema Crowdinvesting. Unser Partner Dr. Sebastian von Allwörden ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und berät laufend Startups und etablierte Dienstleister im Bereich Fintech, alternative Finanzierungsformen und Crowdinvesting.

Verjährungsbeginn bei unklarer Rechtslage

Beginnt die Verjährung auch, wenn wichtige Rechtsfragen für den Anspruch noch ungeklärt sind?

Dass zivilrechtliche Ansprüche einer Verjährung unterliegen, kann als allgemein bekannt bezeichnet werden. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat nun entschieden, dass die Verjährungsfrist auch dann beginnen kann, wenn eine für den Anspruch maßgebliche Rechtsfrage noch nicht durch den Bundesgerichtshof geklärt ist (Urteil v. 25.07.2019, Az. 1 U 169/18). Auch vor einem solchen klärenden höchstrichterlichen Urteil kann nämlich die Rechtslage – für einen rechtskundigen Berater – schon ausreichend klar sein, sodass dem Gläubiger eine Klageerhebung zumutbar ist.

Hintergrund für Interessierte: Das Recht der Verjährung im BGB
Die regelmäßige Verjährungsfrist im deutschen Zivilrecht beträgt drei Jahre (§ 195 BGB). Diese drei Jahre beginnen jedoch erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden und der Gläubiger „von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste“ (§ 199 BGB). Entsteht ein Anspruch also im Januar und hat der Gläubiger – was in der Regel der Fall ist – von den anspruchsbegründenden Umständen auch Kenntnis, so kann die regelmäßige Verjährungsfrist annähernd vier Jahre betragen, da die oben genannte Drei-Jahres-Frist erst am Schluss des Entstehungsjahres beginnt. Es existieren im deutschen Zivilrecht allerdings zahlreiche Ausnahmen, Höchstfristen und abweichende Verjährungsfristen für bestimmte Ansprüche, sodass die konkrete Verjährung im Einzelfall stets juristisch geprüft werden muss. Auch die genauen Voraussetzungen des Verjährungsbeginns sind oft Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen und bedürfen daher einer fachkundigen Prüfung.

In der oben genannten Entscheidung hat das OLG Frankfurt sich nun zu der Frage positioniert, wann von einer hinreichenden Kenntnis des Gläubigers von den „anspruchsbegründenden Umständen“ ausgegangen werden kann. Das Gesetz sieht, wie gesagt, vor, dass der Gläubiger die anspruchsbegründenden Umstände tatsächlich kannte oder „ohne grobe Fahrlässigkeit“ kennen musste. Mit anderen Worten: Ist der Gläubiger zwar in Unkenntnis über die anspruchsbegründenden Umstände, so beginnt gleichwohl die Verjährung, wenn diese Unkenntnis „grob fahrlässig“ war.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine solche grobe Fahrlässigkeit nicht vorliegt, wenn der Gläubiger aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen davon ausgehen durfte, dass er – aus rechtlichen Gründen – keinen Anspruch gegen den Schuldner hat. Existieren also z.B. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die in einer bestimmten Konstellation einen Anspruch verneinen, so beginnt die Verjährung dieses Anspruchs erst, wenn sich herausstellt, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung sich ändert und nun doch ein Anspruch angenommen wird. Vor einer solchen „Rechtsprechungs-Korrektur“ ist die Klageerhebung dem Gläubiger – wegen der bis dahin entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung – nicht zumutbar. Solche Konstellationen hat es durchaus in der Praxis schon gegeben (man beachte jedoch die Verjährungshöchstfristen, die auch hier irgendwann einen zeitlichen „Schlussstrich“ setzen).

Schwieriger zu bewerten sind vor diesem Hintergrund Meinungsstreitigkeiten in der rechtswissenschaftlichen Literatur und Rechtsprechung, die noch nicht höchstrichterlich geklärt sind. Reicht es etwa für eine nicht grob fahrlässige „Unkenntnis“ des Gläubigers aus, dass die Frage, ob ein Anspruch besteht oder nicht, von verschiedenen Instanzgerichten unterschiedlich beantwortet und in der Literatur kontrovers diskutiert wird? Oder beginnt auch in einem solchen Fall die Verjährung des Anspruchs im Jahr seiner Entstehung?

Die Rechtsprechung legt hier strenge Maßstäbe an: Eine „unklare Rechtslage“ führt nicht automatisch dazu, dass die Verjährung nicht beginnt. Gläubiger sind vielmehr verpflichtet, das Bestehen von Ansprüchen im Zweifel juristisch prüfen zu lassen. Erst wenn auch ein rechtskundiger Berater, also insbesondere ein Rechtsanwalt, nicht in der Lage ist, das Bestehen eines Anspruchs zuverlässig einzuschätzen, kann der Verjährungsbeginn in seltenen Fällen tatsächlich bis zur Klärung der streitigen Frage aufgeschoben sein. Dies ist, so das OLG Frankfurt, jedoch nicht automatisch dann der Fall, wenn eine unklare Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Auch wenn also noch kein „BGH-Urteil“ in einer bestimmten Rechtsfrage existiert, kann die Verjährung eines Anspruchs durchaus beginnen.

So hat das OLG Frankfurt in dem entschiedenen Fall eine Verjährung des Anspruchs angenommen: Aus Sicht des OLG war das Abwarten der späteren BGH-Entscheidung nicht erforderlich, um die für den Verjährungsbeginn maßgebliche „Kenntnis“ der anspruchsbegründenden Umstände zu erlangen. Die Rechtslage war auch vor der BGH-Entscheidung für einen Rechtskundigen schon so übersichtlich, dass eine Klageerhebung dem Gläubiger zumutbar gewesen wäre.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte beraten Sie gern zu zivil- und prozessrechtlichen Fragestellungen.

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