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Monat: Juli 2020

Zum Recht auf Vergessenwerden

Habe ich ein Recht auf „Vergessenwerden“ im Internet?

Im Zeitalter der Internetsuchmaschinen kommt den Online-Archiven von Presseorganen eine hohe Bedeutung zu. So können durch die Eingabe eines Namens, etwa bei Google, Berichterstattungen auf einfachem Wege weltweit aufgefunden werden, die der Betroffene schon längst vergessen glaubte.

Mit einer vielbeachteten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2014 wurde das sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“ geschaffen (EuGH, Urteil v. 13.05.2014 – C-131/12). Das Gericht entschied seinerzeit, dass als besonderer Ausfluss des Persönlichkeitsrechts ein Anspruch darauf bestehen kann, nicht mehr dauerhaft öffentlich mit Vorgängen konfrontiert zu werden, die längst abgeschlossen sind. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um einen im Internet auffindbaren Artikel über eine private Pfändung, die mehr als 15 Jahre zurücklag.

Durch die im Mai 2018 in Kraft getretene EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wurde dieses Recht erstmals normiert. Nach Art. 17 der DSGVO besteht ein „Recht auf Löschung“ personenbezogener Daten. Wie genau diese ausdifferenzierte Regelung unter Art. 17 DSGVO auszulegen ist, insbesondere die Frage, wann „vorrangige berechtigte Gründe“ für die Datenverarbeitung vorliegen und dem Recht auf Löschung entgegenstehen, beschäftigt seither die deutschen Gerichte.

Wie ist dieses Recht ausgestaltet und welche Kriterien gelten?

Zum Recht auf Vergessenwerden wurden in Deutschland bereits in verschiedenen Zusammenhängen zahlreiche Urteile gefällt. In einer aktuellen Entscheidung hat sich nun das Bundesverfassungsgericht erneut zu der Reichweite dieses Rechts positioniert (BVerfG, Beschluss v. 23. Juni 2020, Az. 1 BvR 1240/14). Der Entscheidung ging eine Pressberichterstattung über einen in der Öffentlichkeit stehenden Unternehmer voraus. In der Berichterstattung wurden eine aktuelle strafrechtliche Verurteilung sowie laufende Strafprozesse beleuchtet. In diesem Zusammenhang erwähnte das Magazin auch einen mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Täuschungsversuch des Unternehmers im juristischen Staatsexamen. Die Instanzgerichte bejahten einen diesbezüglichen Unterlassungsanspruch des Unternehmers. Das Bundesverfassungsgericht hingegen gab der Verfassungsbeschwerde des Verlages statt. Dabei stellte das Gericht klar, dass allein die Komponente des Zeitablaufs in der vorzunehmenden Abwägung nicht automatisch zu einer höheren Gewichtung des Rechts auf Vergessenwerden gegenüber der Pressefreiheit und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit führt. Vielmehr können aktuelle Anknüpfungspunkte dazu führen, dass wahrheitsgemäß über längst vergangene Umstände aus dem sozialen und beruflichen Leben bekannter Personen berichtet werden kann. Im wiederholt unredlichen Verhalten des Unternehmers, der bewusst regelmäßig öffentlich in Erscheinung tritt, sollen solche Anknüpfungspunkte liegen.

Im Grundsatz gilt nach dem Bundesverfassungsgericht: Je mehr das zwischenzeitliche Verhalten der betroffenen Person von dem Willen getragen wird, tatsächlich in Vergessenheit zu geraten, desto eher besteht ein Anspruch auf Löschung alter (Archiv-)Berichterstattungen. Und: Je mehr die verbreiteten Informationen der beruflichen und sozialen Sphäre der betroffenen Person zuzuordnen sind, desto eher ist die Verbreitung alter Berichterstattungen hinzunehmen. Wenn es um strafrechtliche Verurteilungen aus der Vergangenheit geht, ist dem Resozialisierungsgedanken zudem ein hohes Gewicht beizumessen. Ist eine Strafe verbüßt, so besteht häufig ein Anspruch des Verurteilten, nicht mehr öffentlich mit der früheren Straftat in Verbindung gesetzt zu werden.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte beraten ständig zu medien- und internetrechtlichen Fragestellungen und übernehmen bei Bedarf die Prozessführung für Sie. Sprechen Sie gern unseren Partner Benjamin von Allwörden, der Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht ist, an.

Zur Kreditwürdigkeitsprüfung der Banken bei Verbrauchern

Welche Vorgaben haben Banken und Sparkassen für die Prüfung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern?

Banken und Sparkassen sind nach den Vorgaben des sogenannten Kreditwesengesetzes (KWG) verpflichtet, vor Kreditvergaben an Verbraucher deren Kreditwürdigkeit (Bonität) zu überprüfen.

Diese Pflicht ist zunächst aufsichtsrechtlich ausgestaltet – sie ist Teil des sogenannten Bankaufsichtsrechts, also sozusagen des „besonderen Gewerberechts“ für Banken. Die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorgaben wird in Deutschland durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (kurz BaFin) überwacht.

Die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung stammt ursprünglich aus europarechtlichen Vorgaben, die in Deutschland in nationales Recht umgesetzt wurden.

Haftung der Banken und Sparkassen bei unzureichender Kreditwürdigkeitsprüfung? Die Antwort lautet: Ja!

Fraglich war von Beginn an, welche Bedeutung der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung im konkreten Vertragsverhältnis zum Bankkunden zukommt: Kann ein Verbraucher die Rückabwicklung eines Darlehensvertrages oder Schadensersatz verlangen, wenn die Bank oder Sparkasse seine Kreditwürdigkeit nicht ausreichend geprüft hat und er deshalb z.B. die Raten nicht zurückzahlen kann?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun in einem aus der Tschechischen Republik stammenden Fall entschieden, dass die europarechtlichen Vorgaben so ausgelegt werden müssen, dass eine effektive Sanktionierung von Verstößen im nationalen Recht (also z.B. Schadensersatz des Verbrauchers oder Nichtigkeit der Verträge) gewährleistet ist (Urteil vom 5.3.2020 – C-679/18). Das heißt im Klartext: Der EuGH stärkt die zivilrechtlichen Möglichkeiten von Verbrauchern, im Falle nicht ausreichender Kreditwürdigkeitsprüfungen gegen ihre Bank oder Sparkasse vorzugehen.

Was wird sich dadurch für Kreditnehmer ändern?

Die Banken und Sparkassen werden in Zukunft also noch „genauer hinsehen“, wenn es um die Prüfung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern geht. Der Umfang dieser Prüfung hat bereits in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Banken und Sparkassen sehen sich durch die Vorgaben durchaus einem gewissen Dilemma ausgesetzt, da viele Kunden sich über die strengen Vorgaben und die vermeintlich mangelnde Flexibilität der Kreditinstitute beklagen. Durch die europarechtlichen Vorgaben werden die Verbraucher hier in sehr weitgehendem Maße „vor sich selbst geschützt“.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte beraten Sie zu sämtlichen bankrechtlichen Themen. Unser Partner Dr. Sebastian von Allwörden ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und seit vielen Jahren auf diesem Gebiet spezialisiert.

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